Ein wenig Statistik vorneweg: in der Schweiz und auch in Skandinavien bin ich Teil von rund 28% der Beschäftigten, die regelmässig von zu Hause aus arbeiten. Fast jeder Dritte tut das also bei uns. In den Niederlanden gibt es inzwischen sogar einen Rechtsanspruch auf einen Tag Home Office pro Woche. Deutschland hingegen hinkt mit nur 11% deutlich hinterher. Die Akzeptanz und Verbreitung von Home Office scheint somit – neben den gesetzlichen Rahmenbedingungen – auch durch gesellschaftliche Wertesysteme beeinflusst zu werden.
Im Notfall hilft das Notebook
Flexibilität ist das A und O, wenn Beruf und Familie unter einen Hut gebracht werden müssen. Tönt simpel, es gilt in der täglichen Umsetzung jedoch einige Hindernisse zu umschiffen. Beispiele gefällig?
Kitas haben fixe Bring- und Abholzeiten. Oft müsste man noch schnell etwas erledigen – reicht dann aber zeitlich nicht mehr, weil man ja sofort los muss, um rechtzeitig sein Kind abzuholen. Sonst motzt die Kita-Tante wieder. Klassische Zeitfresser wie Stau, Verspätung der Bahn etc. müssen ebenfalls stets mit einkalkuliert werden. Was recht schwierig ist, da sich solche Eventualitäten ja eben gerade nicht planen lassen.
Ein weiterer Klassiker: die Kleine hat man in die Kita gebracht. Nach einer halbstündigen Autofahrt kommt man im Büro an, ist voller Tatendrang. Man startet den Computer, checkt sämtliche Mails und plant den Arbeitstag. Kaum ist man dann produktiv, klingelt plötzlich das Smartphone. Das Display zeigt die Nummer der Kita an. Nach einem kurzen Telefonat steht man völlig gestresst auf und sagt zum Chef: «Ich muss los – mein Kind ist krank!».
In solchen Fällen habe ich glücklicherweise die Option mir mittels Notebook und Datenverbindung Zugriff auf das Firmennetzwerk zu verschaffen. Dringendes oder Liegengebliebenes kann ich so flexibel von zu Hause aus erledigen. Während die Kleine also friedlich schlummert und Familienmitglieder das Hüten übernehmen, nutze ich das entstehende Zeitfenster und erledige die Planung für unsere nächste Marketingkampagne.
Mit Selbstdisziplin und Transparenz
Aber nicht alle Unternehmen gewähren ihren Mitarbeitenden dieses überaus praktische Arbeitsmodell Home Office. Denn es hat bekanntlich seine Tücken. Und Leute die Home Office nutzen kämpfen auch gegen eine Stigmatisierung. Etwa: im Home Office lassen es sich die Angestellten gutgehen und arbeiten weniger und unkonzentriert – ein typisches Vorurteil. Untersuchungen beweisen aber das Gegenteil. Personen die regelmässig zu Hause arbeiten sind durchaus produktiver. Machen weniger Pausen und fallen seltener wegen Krankheit aus. Und der gemütliche Schwatz mit dem Pultnachbar entfällt ebenfalls. Büropräsenz bedeutet also nicht gleichzeitig hohe Produktivität.
Gleichzeitig braucht es dazu eine grosse Portion Selbstdisziplin, Planung, Absprache und grosses Vertrauen. Mit einer konkreten Zielvereinbarung können die Rahmenbedingungen und Inhalte von Home Office geklärt und die Kontrolle durch die Vorgesetzten gewährleistet werden. Zudem hilft es, auch beim Home Office feste Präsenzzeiten festzulegen und diese im Outlook-Kalender auch so zu markieren. Das schafft Verbindlichkeit und Transparenz, denn alle im Betrieb wissen, wann und wie ich erreichbar bin. Abwesenheiten im Home Office wie z. B. ein Artzbesuch werden ebenfalls im Kalender hinterlegt. So wissen meine Arbeitskolleginnen und Kollegen jederzeit, wo ich gerade bin und was ich gerade erledige.
Home Office – ja oder nein?
Ob Home Office ein sinnvolles Arbeitsmodell darstellt oder nicht, lässt sich schwer pauschal beantworten. Es muss also individuell nach Firmenkultur, Tätigkeiten, Wünschen und Möglichkeiten der Mitarbeitenden und Arbeitgeber entschieden werden.
Softwareentwickler arbeiten häufig von zu Hause aus, während Mitarbeiter mit viel Kundenkontakt die Möglichkeit kaum oder gar nicht nutzen können.
Egal, ob jemand seine Arbeit im Büro oder vom heimischen Bürotisch aus erledigt, letztendlich ist entscheidend, dass weder Produktivität noch Zufriedenheit der Mitarbeiter leiden.
Meine persönliche Erfahrung ist: Home Office erleichtert mir meinen Alltag enorm, es ermöglicht mir daheim präsenter zu sein und meinem Kind – trotz 80% Pensum – gerecht zu werden.
Zu beachten gilt aber: Wenn man selbst krank ist, sollte man sich Home Office schleunigst abgewöhnen. Das kann nicht gesund sein. Wichtig ist, sich genau zu überlegen, in welchen Situationen zu Hause gearbeitet werden soll. Und sich selber und auch gegenüber dem Arbeitgeber Grenzen zu setzen. Auch am Wochenende möchte ich den PC nach Möglichkeit ruhen lassen – diese Zeit soll mir und meiner Familie gehören.
Mein Fazit: Ich persönlich möchte Home Office nicht missen. Falls euch die Möglichkeit auch offen steht – ran an den Praxistest!
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